In dieser Hommage erinnert sich Rasmus Heide an Jon
Jon Lord machte emotionale Musik, die sich mit unseren Gefühlen verbunden hat. Seine Musik hat eine Stimmung für jeden von uns – ob es seine glühende Arbeit an der Hammond Orgel während Deep Purples explosivsten Momenten oder die introvertierte und herzzerreißende Schönheit seiner Solo-Stücke ist.
Seine atemberaubende Bühnenshows machten mich immer lächeln, bis meine Wangen weh taten. Seine unnachahmliche Präsenz schlug mich immer in Bann, und Ort und Zeit verschwanden stets. Manchmal, nach einer besonders bewegenden Performance, musste ich meinen Kopf schütteln, um zu erkennen wo ich war, als käme ich aus einem Traum.
Wir sind mit einem atemberaubenden Vermächtnis an Musik und Erinnerungen zurück gelassen. Die Welt hat einen überzeugenden Musiker, einen visionären Künstler und einen charmant liebenswerten Herrn verloren.
Jons Musik ruft immer Bilder in den Köpfen seiner Zuhörer hervor. One For The Meadow ist ein wunderschönes Beispiel. Auch ohne Sam Browns wunderbare Texte versetzt es mich auf einem Spaziergang auf grünen Hügeln an einem schönen Sommernachmittag.
Tatsächlich war Jon ein Mann, der solche Dinge zu bemerken pflegte. Bei meinem ersten Besuch in Jons Haus fuhr er mich durch ebensolche Hügel in der Nähe seines Zuhauses in Henley. In einem Pub an einem Feldweg hatten wir ein leckeres Mittagessen von Bubble und Squeak (Pfannengericht aus Gemüse und Kartoffeln, Anm. d. Ü), mein erster Eindruck von diesem soliden englischen Gericht, während wir über seine Musik, sein Lebenswerk und seine Pläne für die Zukunft sprachen.
Jon war immer hervorragende Gesellschaft. Er verband seinen tiefen Wissensquell mit scharfem Witz, und nie weniger als vorbildlichem Verhalten, damit sich jeder um ihn herum wohl fühlte. Niemals weit vom nächsten Lächeln oder diesem ansteckenden Kichern, war seine Anschauung positiv und wurde dem Sprichwort ‚Wenn du nichts Nettes sagen kannst, dann sag überhaupt nichts’ gerecht. Und er war immer voller Ideen und Projekte .
Als BBC 4 ihn nach seinem Tod in Last Word brachten, machten Ritchie Blackmore und Rick Wakeman beneidenswerte Kommentare über ihren alten Freund und Musikerkollegen – und dann, Überraschung, kam Jon auf Sendung um zu erklären, dass er gerne zu 50 % als Deep Purples Keyboardspieler in Erinnerung gehalten werden möchte, und zu 50 % als Komponist, der eine kleines, aber interessantes Schaffenswerk vorzuweisen hat. Das Interview wurde nur eine Woche vor seinem Tod aufgezeichnet, und während er zerbrechlich klang, brachten Jons Worte noch immer seine unzerstörbare Entschlossenheit herüber, dass er mit Gottes Gnade beabsichtigte, an diesem seinem Schaffenswerk zu bauen.
Leserkommentar auf JonLord.org am 16. Juli 2012:
Heute treffen Sie J.S. Bach – Sie werden ihn kennen, jeder tut es. Die Sache ist die Jon, er wird Sie auch kennen …
In meinen letzten 30 Jahren wuchs Jon von meinem Teenager-Idol zu zu jemandem, der mich Freund nennen sollte. Ich war zu geehrt.
Wie so viele andere, war ich zuerst von den aufregenden Klängen seiner Hammond gefangen. Die alte Kopie von Deep Purples Made In Europe meines Kindheits-Nachbarn fing mich ein. Von Coverdales cooler Ankündigung von ‚Rock’n’Roll!‘ war meine vor-Teenager-Vorstellung gefesselt. Das war echte Musik. Jons Hava Nagila Intro zu You Fool No One auf Seite 2 war so voller musikalischer Vorzüglichkeit – und nur das Erste von einer Lebensdauer von Highlights.
Viele Jahre später war ich fasziniert, dieses Album im Regal von zuletzt gespielten CDs in Jons eigener Küche Jons zu sehen.
Jons Arbeit mit Deep Purple sicherte ihm eine Stellung auf dem höchsten Level von kreativen und kommerziellen Errungenschaften im Rock. Das Beast aus dem Käfig zu lassen war eine von Jons visionäre Erfindungen – die Hammond-Orgel in einen Marshall-Verstärker zu stöpseln, um einen Sound zu schaffen, der zu Ritchie Blackmores verzerrter E-Gitarre passen könnte. Damit kam die Fähigkeit, diese wilde Kreatur zu zähmen und zu kontrollieren; unter seiner kundigen Berührung sollte sie knurren oder schnurren, dann heulen und schreien – alles zur Freude von meinen Ohren und den Haaren auf meinem Nacken.
Mein liebster Moment wird immer diese Show in New Haven, CT sein, im Jahr 1985. Ich habe noch nie vorher oder nachher eine Hammondorgel gesehen die man vorwärts fallen hat lassen damit sie so in den Bühnenboden kracht
(Gary Smith, JonLord.org 17. Juli 2012)
Auf der Bühne war Jon immer aufregend, nicht zuletzt mit Deep Purple. Ich beobachtete in Ehrfurcht wie er und Blackmore die Grenzen des Hardrock erweiterten. Ritchie räumte ein, dass Jons Soli immer den größten Applaus von seinem erstaunten Publikum bekamen.
An dem letzten Konzert der beiden zusammen in Helsinki 1993 sah ich Ritchie einige schöne Versuche machen, Jon während ihrer Jagd in Speed King zu überrumpeln. Das dauerte weit länger als üblich, bis der Gitarrist plötzlich aufgab, seine Hände auf der Hüfte in einer spaßhaften ‚Was denkst du, wer du bist?’ Haltung Jon anstarrte – dann ein breites Lächeln aufsetzte und die Hand ausstreckte, um Jons Hand zu schütteln. Der gegenseitige Respekt zwischen den beiden blieb von der Krise in der Band verschont, und bis zu seinem Tod fuhr Jon fort, Ritchies Technik auf der akustischen Gitarre zu preisen, und anzumerken wie gerne er mit ihm wieder aufnehmen und spielen würde.
Child In Time war Jons Erkennungsmelodie in Deep Purple, und er war stolz darauf, es nie auf die gleiche Weise zweimal zu spielen. Während seiner letzten Jahre mit Purple schien der Song für immer im Ruhestand zu sein, aber in den 2000er Jahren arrangierte Jon es neu für Orchester, und ich sah es zu noch größeren majestätischen Höhe wachsen, als er Band und Sinfonieorchester zu seinem sich steigernden, atemberaubenden Höhepunkt führte.
Jon war ein Achtung gebietender Künstler, der jede Nacht jedermanns Respekt und Aufmerksamkeit verdiente. Groß hinter der Hammondorgel stehend, die Augen versteckt hinter einer Sonnenbrille und sein graues Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, gab er seinen Mitmusikern Handzeichen von einem Abschnitt eines Songs in den Nächsten, seine linke Hand in die Luft gehoben um bis zum Ende seines Solos herunter zu zählen.
Wenn er spielte, hüpfte seine Schulter auf und nieder, fast bis an sein Ohr während intensiver Momente. Er lehnte sich auf ein Bein, bediente das Lautstärkepedal mit dem anderen und dann warf er seinen Kopf beim dramatischen Höhepunkt des Solos zurück.
Sein perkussiver Orgel-Stil sah seine Hände willkürlich über die Tasten tanzen, als ob er Bongos spielen würde. Und dann zu seinem anderen Markenzeichen zu wechseln, den feurigen Soli, wo seine rechte Hand führte, und er mit der Linken unterstützende Anschläge hinzufügte, oder die Kontrollen der Leslies bediente.
In früheren Jahren, waren auf seiner Hammond andere Keyboards und Effekt-Boxen gestapelt. Er legte sein Knie auf die Tasten der Hammond, dann spielte er mit den Effekten und Schubreglern um dramatische Schreie, Heuler und Windgeräusche hervorzurufen, die die Schwellen unseres Hörvermögens bedrohten. Dann kippte er die Hammond in einem Winkel aufwärts und ließ sie auf den Bühnenboden krachen für diesen explosionsartigen Sound aus den eingebauten Reverb. Magische Erregung.
Jon musikalische Karriere stand auf zwei Beinen. Neben einem Leben im Hardrock hat sein Herz nie aufgehört für die Verlockungen einer breiteren musikalischen Leinwand zu schlagen. Seine Arbeit mit Orchestern seit dem Jahr 1969 bis zum Ende begann als mühsame und harte kreative Arbeit zu Hause in seinem Musikzimmer – umgeben von seinen Büchern und seiner Musik-Sammlung (und mit einer sonnenbebrillten Büste von Beethoven die das Verfahren beaufsichtigte!) – und endete in lustvoller Befriedigung, wenn er seinen Daumen in Anerkennung einer weiteren erfolgreichen Orchesterkonzert-Vorstellung hob.
Meine erste unmittelbare Erfahrung von Jons „anderer Seite“ war eine seltene 1990er Solo-Show in einem See-Festival in Thun, Schweiz. Mit einer Band, mit Pete York und Miller Anderson und einem kleinen Streicherensemble, führte Jon hauptsächlich Stücke aus seinem Album Before I Forget auf. Bach Onto This war das Tour-de-force-Highlight des Konzerts – das brachte ihn für ein paar Minuten außer Atem – aber auch der Titeltrack und Auszüge aus Gemini Suite, wo die Streicher in den Vordergrund traten, zeigten seine unglaubliche Bandbreite.
In späteren Jahren fühlte sich Jons vornehme Erscheinung noch mehr zu Hause vor einem Symphonieorchester. Als Gastgeber sprach er mit englischem Witz über die Musik, bevor er sich ans Klavier setzte und – mit einem wachsamen Auge auf den Dirigenten – eintauchte in Musik von atemberaubender Schönheit und Dramatik.
Über 20 Jahre war das wundervoll eingängige Sarabande-Album Jons liebenswertestes Solowerk. Ein paar Titel wurden bei den meisten seiner Solo-Shows in den 2000er Jahren gespielt, und die gesamte Suite wurde schließlich bei einer herrlichen Uraufführung mit großem Orchester in Budapest im Jahr 2010 wiederbelebt. Die Sarabande von Anfang bis Ende zu hören war schon seit Jahren mein Traum, und die voll orchestrierte Version von 2010 verschaffte Freude, Begeisterung und sogar Unglauben darüber, was Jon die Musiker abzuliefern machte. Er bewegte sich zwischen Klavier und Hammond, und der donnernde Höhepunkt sandte heiße und kalte Schauer mein Rückgrat hinunter.
Aber Sarabande wurde von Pictured Within in den Schatten gestellt. Die ungemein schöne und in sich gekehrt Feier des Lebens von Jons damals kürzlich verstorbenen Eltern vor der malerischen Kulisse der Schweizer Zufluchtsortes in den Alpen, Zermatt, ist ein Meisterwerk. Sein Titelsong – alles über die Auseinandersetzung mit dem Verlust von geliebten Menschen – berührt mich immer. In jeder Vorstellung die ich gesehen habe, unabhängig von seiner Instrumentierung – großes Orchester, kleines Streicherensemble oder einfach nur Jon und sein Klavier – seine Melodie und Worte ersticken mich und bringen einen Kloß in den Hals.
Here be friends…
Here be heroes…
Here be sunshine…
Here be grey…
Here be life…
Here love lies bleeding…
(Text von Pictured Within)
Als Jons Solo-Aktivität in der Mitte der 2000er Jahre zunahm, schlug ich ihm eine offiziell sanktionierte und professionell betriebene Website vor, die ihm helfen sollte seine Nachrichten zu verbreiten und ihn mit den Fans in Kontakt zu bringen. Er war ein eifriger Versorger mit der Wahrheit online, tauchte ein in Diskussionen, wenn Deep Purple Fans sich in Hörensagen oder Spekulationen zu verlieren drohten. In seinem unnachahmlichen Schreibstil sollte er ihnen mit ein paar sorgfältig bemessenen Worten den Kopf zurechtrücken.
Jon liebte, dass JonLord.org wie. Orgel klang, und wir starteten die Website zusammen mit der Uraufführung vom Durham Concerto im Oktober 2007. Jon war involviert in mehrere Konzertprojekte und Album-Aufnahmen, und die Webseite hatte einen geschäftigen Start.
Glückliche Zeiten folgten als ich zahlreiche Reisen machte zu seinen Konzerten in ganz Europa; From Darkness To Light war ungeheuer bewegend in der Trondheimer Nidaros-Kathedrale, ebenso wie die Doppel Anziehungskraft sowohl von To Notice Such Things und dem Concerto For Group and Orchestra gespielt von den Royal Liverpool Philharmonics in ihrer Heimatstadt.
Ich wusste, dass Jon nicht sehr viel Zeit online verbrachte, aber ich lernte bald, dass er alles, was hier veröffentlicht wurde, auch las. Wenn etwas zu wünschen übrigließ, sollte er mir sofort eine Email schicken mit höflichen, aber bestimmten Korrekturen.
Jons letzte beide Konzertauftritte während eines Wochenendes im Juli 2011 illustrieren seine gigantischen musikalischen Fähigkeiten und Vielfalt. Am Freitag wurde der alljährliche Sunflower Jam in der Royal Albert Hall so etwas wie die inoffizielle krönende Glorie für Jon. Herrliche Darbietungen mit Joe Bonamassa und eine Weltpremiere mit Mit-Keyboard-Virtuosen Rick Wakeman – gemeinsam mit einigen seiner Solostücke – rissen das Publikum von den Sitzen.
Zwei Nächte später, am Sonntag in einer kleinen Pfarrkirche in Nuthurst im ländlichen Sussex, spielte er Klavier für eine bewegende Aufführung von To Notice Such Things mit Streicherensemble und Flöte. Der Unterschied in Stil und Umfeld war greifbar, aber beide Aufführungen begeisterten sein Publikum. In einer schmerzlichen Rückschau erlaubten es diese beiden Konzerte Jon, auf eine Weise zu gehen, die repräsentativ für und getreu seiner erstaunlichen Karriere von musikalischen Entdeckungen und Abenteuern war.
Danach, wieder zurück in seinem Hotel auf dem Land mit Paul Mann und einem Freund von mir, teilten wir ein Glas Rotwein um den Abend in Sussex abzuschließen. Es war noch früh und die sommerliche Atmosphäre war beruhigend und entspannt. Plötzlich ging der Feueralarm los, und der Kellner bat uns, das Gelände zu verlassen. Jeder schlenderte lässig nach draußen. Als ich die Haustür erreichte, sah ich nach draußen, und ich sah ein Bild, das für immer in meinem Kopf bleiben wird.
Jon hatte es schon nach draußen geschafft, und in dem Park, der weg vom Hotel nach oben ging, stand er ganz allein mit seinen Händen in den Jackentaschen auf einem kleinen Hügel. Er beobachtete ruhig das sich leerende Hotel, und er sah groß, schlank und extrem fit aus. Er war die personifizierte Stärke, selbstbewusst und zufrieden mit dem Leben.
Genau einen Monat später rief Jons Manager an, um die Ankündigung seiner Krankheit zu arrangieren. Dies war ein betäubender Schock. Aber ebenso atemberaubend – als die Nachricht bekannt wurde – war der virtuelle Ozean der Liebe, der in Jons Richtung schwappte. Eine Bekräftigung seines unglaublichen Ansehen bei Freunden, Fans und Kollegen gleichermaßen.
Ein Totara ist im Wald von Tane gefallen.
(Der Totara ist ein riesiger einheimischer Baum in Neuseeland, der über hunderte von Jahren wächst. Wenn einer von ihnen fällt, ist das eine große Tragödie. Dieses Maori-Sprichwort wird zitiert wenn jemand von Bedeutung stirbt.)
(Michael Ross, JonLord.org 17. Juli 2012)
Jons Tod brachte mehr als eine halbe Million Besucher in nur zwei Tagen auf diese Website. Aus der ganzen Welt. Dies ist nicht nur eine atemberaubende Zahl. Sie repräsentiert die unermessliche Liebe und den Respekt den Jedermann für Jon und seine Musik hat. Tausende und Abertausende von Freunden, Fans und Bewunderern haben ihre Liebe und Zuneigung in seine Richtung geschickt. Und mehr als zu den Hard-Rock-Hits zu kommentieren, reflektieren die Menschen auch darüber, wie Jons Musik ihnen durch schwierige Zeiten geholfen und ihre Einstellung zum Leben merklich geändert hat.
Jon war ein einzigartig begabter Mensch. Er gab unseren Gefühlen Musik. Möge sie lange nachklingen. Danke Jon, für Alles.
Mein Beileid an Vicky, Sara und Amy.
– Rasmus Heide, Juli 2012
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Falls Sie in Erinnerung an Jon spenden wollen, würden Vicki, Sara und Amy es vorziehen, wenn eine wohltätige Spende in Jons Namen an den ‚Sunflower Jam‚ gemacht wird. Registrierte Wohltätigkeits-Nummer 1138401. Spenden Sie jetzt
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